KCP

It's still early days in Barcelona

Um die Musikszene in BCN zu treffen, muß man hinter die Kulissen blicken. Die großen Clubs sind fest in der Hand der Mafia. "They will be there until people get interested in music taking over these places. That will take a long time, because the mafia owns them like family property over generations." Die Leute sind zurückhaltend, es ist schwer genaue Informationen über die "night-life-Politik" zu erhalten. Es gibt wohl sechs Personen, die alles kontrollieren. Namen wollte keiner nennen, nur soviel, daß die Stadtverwaltung kooperiert und mitkassiert. So sind nachwievor die Erben von Franco im Besitz des poble españols. In der Trabantenstadt auf dem Montjuic befinden sich drei der bekanntesten Discotheken BCN. "LE FOU" ist so das Angesagteste in diesem Sommer. Um den Erfolg des Clubs zu unterstützen, wurde "el Torre de Aguila", mit der Intention das Publikum umzuleiten, vorübergehend geschlossen. Das Ganze ist clever gedreht und mit viel "pasta" im Hintergrund unterstützt worden. Unter dem Motto: "loco por un dia" deklarierte der Manager "Kiku M." den Club zum Museum. Somit kann jeder kommen und seine Arbeit ausstellen, natürlich nur mit dem Anspruch, verrückt zu sein! Das Dekor des performance-night-clubs ist beeindruckend pompös ausgestattet. Alles, was dazuaddiert wird, reiht sich augenblicklich ornamenthaft ein und verwandelt sich in bloße Ausstattung. Das ist das große Dilema des Konzeptes, was aber niemanden stört.

Am Wochende reihen sich die Leute vor den Toren des poble españols auf. Security guards sieben aus, wer eintreten darf, während Kiku via Monitor dem wartenden Publikum die Philosophie seines Vergnügungskonzeptes erklärt. Eine bizarre Selbstdarstellung mit bereits faschistoiden Auswirkungen. Vorbei mit der Leichtigkeit des Hippihaften: war es anfänglich "in", seinen Joint im Chillout zu rauchen, ist der Drogenkonsum mittlerweile streng geregelt. Die Security guards verfolgen jeden bis auf die Toilette, der ein OCB paper aus der Tasche zieht, währendessen an der Bar unter der Hand "pastillas" verkauft werden. Vom Gewinn profitieren natürlich die Clubbesitzer. Aber das ist auch nichts Neues, im Grunde bekommt der Besucher genau das geboten, was er erwartet: Spektakel und fiesta. Dazu gehört der beat, um die Menschen zu bewegen. "The style of the DJs is still to play for the people. They change styles during the night, so the people don't get bored. Techno is the only thing that they can play for a long period of time and the people will enjoy. Most discotheques have resident DJs for a certain period of time, at least until they get worn out. They have a contract like any of the barstuff, and that's how they get treated; maybe they get payed a little bit more.
The mentality in Spain is still "fiesta". That's the best thing about it. People don't stand around the DJ listening to the music and looking at what he or she is doing, they just try to have a good time. So the DJ has to make them keep moving."

Die Musik in den Clubs variiert kaum. Außer Drum and Bass, ein bischen Trip-Hop oder Jungle überwiegt Techno die ganze night-life-scene. Vielleicht fehlt hier einfach der Einfluß von "black culture".
Spanien adaptiert, was auf dem europäischen Markt angeboten wird. Das Clientel ist aber einfach schlecht informiert oder interessiert sich wenig, Anschluß an den Rst der Welt zu bekommen. Es fehlt an der Organisation und finanzieller Unterstützung. Spanische Vertriebe, die den Nachwuchs fördern oder neue Stile in ihr Angebot mit aufnehmen, sind rar. So hört man hier nur gelegentlich Rap, Raggamuffin, Goa oder Ambient, und seit das "Liceu" abgebrannt ist noch nicht einmal mehr Mozart.
Den größten Einfluß auf die Musikszene haben französische DJs.
Tekla, eine der drei DJ-Frauen, die sich in der Szene behaupten konnten, kommt aus Toulouse. Zusammen mit Fred Tassi, ebenfalls Franzose, waren sie unter den ersten , die Techno vor ein paar Jahren bekannt gemacht haben. Tekla bezeichnet sich selbst als Vagabundin, ohne festen Platz, sie ist instabil, ihr gefällt die Idee sich jeder Zeit fortbewegen zu können. Sie legt Wert auf die Reaktionen des Publikums und mischt sich gerne während ihrer sessions unter die Leute, um mit ihnen zu tanzen. Ihr Stil ist cool und recht eigentümlich. Ihre Kritik an der Rezeption von Techno in Spanien ist, daß die Leute sich irren, wenn sie von Techno reden und einfach nur "la maquina" meinen und nichts anderes kennen. Ihrer Meinung nach fehlt es an Organisation und Experimentierfreude.

Natürlich befindet sich Spanien nicht völlig hinter dem Mond. Seit vier Jahren gibt es das Soñar, eine kommerzielle Messe, die viele DJs von außerhalb hierher gebracht und somit der elektronischen Musik einen höheren Bekanntheitsgrad gegeben hat. Die Veranstaltungen "en directo" ­ sprich DJ-Auftritte ­ sind mittlerweile jedoch ziemlich teuer geworden und so der breiten Masse nicht mehr zugänglich. Die Messe dient auch mehr dazu, Kontakte zu schaffen und zu verkaufen, als hiesige DJs in ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Delfin, ein Catalane der tatsächlich durch seinen kulturellen Aktivismus in seiner legendären "Fist-bar" neue Anstöße in Barcelonas Musikszene durchsetzen konnte, zählt für mich zu den avantgardistischsten DJs. Seit 1988 hat er in den letzten acht Jahren immer wieder Neues nach Barcelona gebracht. So individuell seine Persönlichkeit ist, ist auch ein Musikstil. In seiner Exbar traf sich alles und jeder, vorallem, weil die Beschallung immer etwas Neues bot. Im Moment hat er sich ganz der elektronischen Musik verschrieben und wartet nur darauf, wieder einen eigenen Club zu etablieren. Ich wünsche ihm viel Glück dabei.
Die Nächte in Barcelona fangen spät an. Vor drei Uhr lohnt es sich überhaupt nicht, einen Schritt in einen der Tanztempel zu setzen. Wenn die Diskotheken frühmorgens schließen, ist die Nacht noch lange nicht vorbei. Die Clubhopper ziehen weiter und hier beginnt, was in Barcelona im Moment populär ist, nämlich die "after-scene".
Kleine Clubs und Bars mit einer Lizenz, frühmorgens zu öffnen, nutzen die Gelegenheit, den Schlaflosen eine Verlängerung der Nacht zu bieten.

"El Circo" ist eines der "alternativen" Lokale, die im Gegensatz zu der Anzahl von Designerbars, eher spärlich gesät sind. Der Anspruch, Orte zu schaffen, wo außer dem reinen Besäufnis auch Platz für ein Zusammentreffen von Kunst- und Musikszene mit dem Barpublikum stattfindet, geht von der Initiative einiger weniger aus.
Mitten im L'Eixamle gelegen, umringt von Bars, in denen niemand auf die Idee kommen würde, aus der Flasche zu trinken, hat sich diese Bar etabliert. Ein Kärntner, ein Venezolaner und ein "native speaker" schaffen es, an der Grenze von up-town und down-town mit ihrem Barkonzept einen Kontrapunkt in der Szene darzustellen. Die cosmopolitische Zusammenstellung der drei Barbesitzer spiegelt sich in der Gestaltung der Bar wider. Durch Aktionen wie illegale "afters" mit wechselndem DJ-Programm finden sich frühmorgens in der Mitte von Barcelona die Nachtschwärmer aus allen Stadtteilen ein. In diesen Momenten geht das Konzept des "Circos" auf.
In einem oasischen Ambiente können die Highspeed- und Extasyaliens zur Ruhe kommen oder an der Bar auf engstem Raum zum Technobeat in Trance verfallen. Wer nicht mehr reden will, kommt durch Visuals wie Projektionen und Fotoausstellungen auf einen anderen Film.

In Hafennähe befindet sich das Herz Barcelonas. Der Raval ist das bunteste und härteste Viertel der Stadt. In dem Flair von Wegwerfprostitution, Drogenhandel, Künstlerszene, vielen kleinen Läden und Kaschemmen liegt das "Aurora". Mit avantgardistischer Musik und familiärem Ambiente bietet es einem schrägen Publikum ein afterhour an.
Leider leidet die Kreativität des Barkonzeptes unter der Stadtpolitik und den Beschwerden der Nachbarn über zu laute Musik. Somit können keine live-DJ-sessions mehr stattfinden. Die ständigen Beschränkungen bewirken, daß alle außergewöhnlichen Aktivitäten illegal und geheim organisiert werden müssen. Die Regulierung von Menschen findet hier in Catalunien in einem schwammigen Bereich zwischen Paragraphen und kapitalistischer Spekulationspolitik statt. Das ganze Viertel soll zum Beispiel durch den Abriß einer breiten Trasse lichter gemacht werden. Das erste Gebäude, das fertiggestellt wurde, war die Polizeistation. Es ist sehr delikat, den Versuch zu unternehmen, den Bedürfnissen der Menschen hier tatsächlich nachzugehen. Vorallem, wenn sich das Ganze im Nachtleben abspielt und sich einer offiziellen Kontrolle entzieht.
Abseits der großen Diskotheken und Clubs, außerhalb von Zivilisation und Urbanismus, gibt es eine Bewegung in Spanien, die sich ihren eigenen Raum schafft. Es sind die Traveler, Zigeuner, Abenteurer, Nomaden, Vagabunden, die von überall her gereist kommen, um gemeinsam zu feiern. Sie ziehen von einem Technofestival zum anderen. Die Information über den Veranstaltungsort wird über Mundpropaganda oder geheime Infolines weitergegeben. Jeder neue Standort muß erkundschaftet werden und ist der Beginn einer neuen Reise.
In Barcelona sind es die Leute von Hypnosis, ein Kollektiv aus Künstlern, die "free-parties" in der Natur organisieren. Gemeinsam formieren sie das, was man als spanischen underground bezeichnen kann.
Die Menschen, die sich auf den Technofestivals versammeln, okkupieren ein Stück Land, bauen ihre mobilen soundsystems auf und tanzen bis das Fest vorbei ist. Es gibt kein Gesetz in Spanien, das wildes Campen verbietet, und die Landpolizei weiß oft gar nicht wie sie dieses Spektakel zu beurteilen hat.
Somit hat sich das, was in Europa schon seit langem praktiziert wird, hierher verlagert. Es sind dann auch meistens französische soundsystems, die den Anstoß zu einer Bewegung gegeben haben und einen starken Einfluß auf die Musik ausüben.

Der Zeitpunkt ist günstig, seit ein paar Jahren baut sich hier eine Antibewegung auf, die gegen alles rebelliert, was das System vertritt. In der Unifizierung des Beats formiert sich eine Masse aus den unterschiedlichsten Nationalitäten. Zum größten Teil sind es Reisende, die die soundsystems begleiten, und Eingeweihte, die die Information über den Standort des Festivals erhalten haben. Gemeinsam verfolgen sie ein Ziel: eine Ausdrucksform zu finden, die gesellschaftliche Werte durchbricht und neu definiert. Sie behaupten ihr Recht, sich individuell auszudrücken. Indem sie "zonas autónomas" konstruieren, provozieren sie das System von reguliertem Verhalten. Sie schaffen sich eine Alternative, die für das Recht steht, sich zu amüsieren, ohne dafür bezahlen zu müssen. Der Beat auf den Technofestivals ist extrem hart und aggressiv, er wird von Anfang an bis zum Schluß durchgehalten. Der Tanz impliziert für sie einen Befreiungsakt, ein "Außer-Sich-Sein" von gesellschaftlichen Normen und Traditionen. Die Mobilität des Nomadentums steht für den Freiheitssinn und die Unabhängigkeit dieser Leute.

"I am disconnecting myself to communication. That's when I'm tripping in the middle of nowhere. The light, the skin and unspoken words. United by one rythm that goes faster than I can breath. I am traveling through the intensity of moments and I'm not looking back at what I have left behind."

KC.P. Barcelona '97


Why DJ?

"...Poetry has indefinite sensations, to which end music is an essential, since the comprehension of sweet sounds is our most indefinite conception. Music, when combined with a pleasurable idea, is poetry. Music without the idea is simply music. Without music or an intriguing idea, colour becomes palor, man becomes carcass, the dead are, but for a moment oceans..."
Edgar Allan Poe, 1831

So as the author writes he prapares his journey by motorcycle to a gathering in distant lands. He anticipates eagerly the assault on his senses and, doubtless, his biochemistry.
He will travel, and at the end of the physical journey he will travel again, surfing on a wave of slamming beats and stroboscopic lighting under (he hopes) a starry sky.
This is TECHNIVAL.
He theorises in passing all this, little by little, reveals to him an ancient mystery buried by the millenia, culminating in the rapid acceleration of human consciousness through late 20th century technology.

Tribal beats that seem to come out of the ground, a ragged crowd dancing not "with" eachother but facing a wall of amplification, painted like a tank and firing bass shells at 180 bpm.
Weapon of peace?
Spiral Tribe in Bosnia, as if to say, "Don't shoot, dance".
Trafalgar Square last year. Nice driving, boys and girls, that's what the author calls "criminal justice". The present approaches and sometimes surpasses science fiction. Bill Gates III has entered the number of the Beast in nearly every PC in the world. The world already has a computer network that cannot be controlled. Maybe Armageddon will only happen virtually.
Maybe it's already happened.
Gaia. 23. The new millenium. Extraterrestrials, Technoshamanism. It's out there, and the author nearly always finds somebody with feelings in common at the parties. Accelerated collective conscienceness or drugged hippy ramblings?

Most of the people at the party don't realy care because they have come all over Europe to have a good time in this seaside wasteland, to get wasted, dance and laugh a lot with others of the common bond. Handshakes, smiling, some too fucked to stand always a helping hand... nearly always...
People from 7 or 8 different countries. No language problems, no violence.

The bass that crashes out of the speakers says more than a thousand articles about freedom of expression and peace. Peace should be deafening like war, and be applied with military precision.
This is DJ.
It's a tough job but someone has to do it.
The author packs some of his largest tunes and hopes for a hard set tonight.

barcelona ­ sat 23 august 1997

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