Lars Bulnheim

SUCCESS IS THE BEST REVENGE

Swingbeat ist Skunkyslowsexmusic für den assimilierten Mittelstand der schwarzen Community. Musik für Erwachsene, den meisten fällt gerade noch Luther Vandross oder Alexander "You're a fake, Baby" O'Neal ein, als Synonyme für Good Life, italienische Schuhe und 80er Lifestyle. In den Plattenläden sind eigene Fächer eine Seltenheit, meistens muß man sich durch beschissene, londonundergroundacidmojazzcoolstruttinjazzlochsolsonicdreck Platten wühlen. Neuerscheinungen werden nicht rezensiert und sind - wenn überhaupt - nur als Importe zu bekommen. Soul interessiert nur in Kombination mit Housebeats oder als lästiges 70s Revival. Das Rap Reinheitsgebot der hippen Jahre tat sein übriges. The Vibe schreibt in ihrem 93er Rückblick dazu: Während Gangsta Rap und sein auf Gewalt basierendes Image das Feuilleton füllt, ist die größte Überraschung die Rückkehr smoother, melodischer Sounds, die das Drama des Everyday Black Life feiern. Der schwarze Amerikaner hat ein in europäische Hirne eingebranntes Image, seine Ausdrucksform ist die der Gewalt. Ein paar Zeilen vor dem eben zitierten steht zu lesen: "If niggas aren't killing each other, white critics don't think it's that interesting." Verzweifelt versucht man selbst noch "drive by shootings" zu verteidigen, die Katastrophe ist halt catchy. Die verhaßte Normalität des geregelten Lebens, mit Geldverdienen und Autofahren und feste Freundin haben, scheint hiesiger Denkerseele zu banal. Das Leben außerhalb des Ghettos ist das eigene und damit bloß nicht zu berühren. Armut ist korrekt und damit auch das zornige, gesprochene Wort, das den Feind benennt, auch wenn man es dann selber ist. Um Mißverständnissen vorzubeugen: natürlich ist jeder Zorn gerechtfertigt, verwunderlich dagegen die Übertragung auf hiesige Verhältnisse. Das Bürgerle fühlt sich halt mit dem vermeidlichen HIP HOP-Proletariat unten, wie gehabt. Linkes Gedankengut mit Black Power vereint war die Utopie der hippen spät 80er. Dabei ist das makin' Muney längst zur Standard Textzeile und zum Symbol für RESPECT geworden. Alles andere wär ja auch schön gewesen, aber der schwarze Kampf ist ein Kampf um Mobilität. Schwarzer Nationalismus braucht Dollars; wenn die interne Wirtschaftsstruktur autark, ist braucht derjenige, der mobil sein möchte, nicht die eigene Gruppe zu verlassen. Es ist halt schwer zu verstehen, daß unter Unterdrückung Leidende Solidarität auch über Klassengrenzen hinaus praktizieren. New Jack Swing bietet ein Abgrenzungsmodell zu politischen Parolenschwingern, deren Informationsmedium die Tagesthemen zu sein scheinen (neulich gehört: Ulrich Wickert is'n Guter). Der schwarze Kampf wird mit der Uzi und Schröders Wirtschaftslehre ausgefochten. Die jamaikanische Dancehall gibt dem Sänger den Respekt, den er verdient; nur daß Sänger dort meist religiös sind, und Religion braucht nun wirklich keiner. Das gesungene Wort im Swingbeat dealt mit Emotionen und weiß schleimig, schöne Geschichten um Liebesaffären mit Champagner und seidener Bettwäsche zu erzählen. Freud und Leid ist das ewige Soul-Thema, man hält sich halt an die Tradition und verneigt sich vor ihr, wie es Tony Toni Toné tun.
Der erklärte NICHTkiffer Babyface macht mit "For the Cool In You" die Hedonisten-Hymne perfekt, die all Girlband SWV (Sisters with Voices) besingt den Cunnilingus, R&B Rapper Heavy D. macht mit "Nuttin' but Love" eine Platte, die man als State of the Art betrachten kann - oder wer darf "This is your Night" von Kool and the Gang samplen? Das ist die Musik, die damals wirklich gehaßt wurde. Erinnert sich noch jemand an Slime mit "Haut die Disco Wixer tot" - niemand? - na gut... Die von Naughty by Nature produzierten und aus der Flavour Unit stammenden Zhané haben mit "Groove Thang", dem Nachfolgehit zu ihrer 93er Single "Hey Mr. DJ" sämtliche Charts geknackt, und das zurecht. Die schmetterlingsweichen Beats machen einfach glücklich, das hat auch das Mainstreamradio begriffen. Mary J. Blige ist mit ihrem Streetgirlimage Hip Hop Soul erfolgreich. The funky four En Vogue posieren mit hochschwangerem Bauch auf Titelbildern. Jodeci sind sogar von oben bis unten tätowiert und gucken böse, sie tragen die typischen B-Boy Klamotten und haben jede Menge Anzeigen wegen Körperverletzung, Notzucht und sonstigen Vergehen. Dafür singen die Herren wie Götter, dürfen auf der neuen Nice'n Smooth LP praktisch ein eigenes Stück plazieren (Textzeile: Daddy's cumin' home, so hat meine Oma immer ihren Mann genannt, VATI, ganz schön eklig), während Slick Rick the Ruler nur mal mit rappen darf. Von dem neuen Crossover hat auch Shootingstar Joe profitiert, der mit seiner Single "I'm in Luv", das Hip Hop Haus rockte. Imagetransfers sind wohl nicht der einzige Grund für die größte R&B Explosion seit Motown (Vibe). Der "Back in the Days" Overkill des letzten Jahres, hat halt auch das Ausgraben alter Discomaxis wieder möglich gemacht auf denen Rapper und Supersoul Sis gemeinsam jamten. In der Jamaikanischen Dancehall ist das eh schon immer Programm und Warren G macht das als eine Person. Genreeröffnend kickten Wrecks'n Effect 1988, von Teddy Riley (The Don of Swingbeat) produziert, ihre Single "New Jack Swing" in den explodierenden Hip Hop Markt. Guy machte in dem Niemandsland von Dope Beats und Straßensoul schicke Platten. Und Bobby Brown war der definitive Pin Up Boy für Mädchen, die Van Halen kacke fanden. Aufjedenfall wird der neue Popsound noch jede Menge toller Platten ausspucken.
Ach ja, bevor ich es vergesse, man muß Swingbeat mit Sicherheit nicht mit den inzwischen an allen Ecken herumlungernden Neo-Hippies oder Slacker oder was weiß ich wie die heißen teilen. Diese Sorte findet Computer doof und macht Ausdruckstanz zu Goa-gesabber, Reggae (jawohl) oder Grungerock, ansonsten lesen sie täglich die Morgenpost und sind gegen das System. Der Weg zur Natur wird mit grüner Platte und lila Sonnenbrille bestritten. Man kann aber auch einen höllen Spaß haben, wenn "rettet die Wale" Jungs und Mädchen zu "Suck my Dick"-Texten tanzen, und nicht verstehen.



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