Dubi Dub

Knowledge, Awareness, Empowerment, Transformation

"My name is Jovonn
and I'm here to tell you this is not the twilight zone
but you're entering the mistery"

Jovonn feat. Wayne Brown, Mistery (Rena/Flying Rec.)

House ist meistens Instrumentalmusik. Wenn daher die Frage aufgeworfen wird, worum es bei House denn gehe, fällt es hier leichter als bei anderen Musikrichtungen, die sehr viel mehr Texte hervorbringen, auf die Musik selbst und die Art ihrer Rezeption zu verweisen und zu sagen, House ist keine Bewegung, die man auf ein paar programmatische Aussagen festnageln kann.

"I just love to dance
steps just do enhance
me and you together
where and when
forever
stop the train, get on
OK, proceed
not long until we reach paradise"

Yohan Square, Love of Life (Easy Street)

Die eher anonymen Produzenten von House Tracks machen sich vielleicht weniger Illusionen über die Bedeutung und Wirkung ihrer Musik als es in anderen Musikrichtungen vorkommt, da sie sich darüber im klaren sind, daß sie in erster Linie eine funktionale Musik machen: Sie schaffen den Rohstoff, aus dem der DJ die Tanzmusik für den urbanen Club zusammenmixt. Dieser ist der Ort, wo man tanzt, sich trifft umd amüsiert, wo sich Romanzen und Tragödien ereignen, wo man sich zeigen, seine Sexualität inszenieren kann, wo man dem Alltag entflieht und wo manchmal vielleicht auch eine bessere Welt erlebt werden darf. Die Funktion der Musik ist dies alles zu forcieren. Man könnte sagen, es gehe bei House darum, jene geheimnisvolle Atmosphäre bereitzustellen, die es dem Publikum gestattet, das zu tun, was es möchte.


"Is it real? Is it real?
How does it feel anyway?"

Producers from Another State, Play 4 Today (Goldtone/Emotive)

"We'll be what we want to be.
Shine a spotlight on me.
Let the children feel free.
It's a parade, we are parading."

Fonda Rae, Parade!

In dem Film "Paris is Burning" über die Bälle der New Yorker Transsexuellen kommen Wettbewerbe vor, bei denen es darum geht, möglichst echt wie eine bestimmte Figur der Gesellschaft auszusehen. "Real" zu sein bedeutet hier, möglichst authentisch z.B. ein Modell oder einen Soldaten darzustellen. Dabei schwingt jedoch immer die Bedeutung des Wortes "real" mit, wie sie in dem Disco-Schlager "You Got to Be Real" von Cheryl Lynn ausgedrückt wird. Bei "Realness" geht es um authentische Nachahmung und Parodie, aber auch um die Inszenierung von Träumen. Dieses stark mit Camp verwandte Phänomen des Spielens mit der Realität und den eigenen Wünschen war sicherlich schon Bestandteil der Disco-Kultur, wie vielleicht an den Kostümen der Village People abzulesen ist, und lebt in House weiter.

"Allow yourself to feel it
take the time to see it
reach out and try it
be strong and own it

then free yourself to become youself

Make a pact with it
then have peace with it
It's a part so let yourself have it
stand alone and be it

then free yourself to become yourself"

I.M.T., I.M.T. Theme (Miss Girl Rec. & Film Works)

Vor dem Hintergrund von "Realness" wird verständlich, welche Bedeutung Texte auf House-Tracks haben können. Die überkandidelten Garage-Songs, die von den großen, wundervollen und traurigen privaten Gefühlen handeln, werden aus dieser teils widersprüchlichen Perspektive als das schöne, echte Fühlen und Ausleben von starken Emotionen erlebt, das jederzeit in eine spöttische Distanz zu diesem ganzen Schwulst übergehen kann. Auch die vielen pornographischen Elemente sind auf diese Weise genauso als Animation wie als deren Ironisierung wahrnehmbar. In "Chit, Chat" von Cajmere (Clubhouse/Emotive) versucht jemand hartnäckig die Telefonnummer eines Flirts zu ergattern. Die zwischen charmant und schleimig oszillierende Hartnäckigkeit, mit der er seine Beteuerungen macht, das zu sein, was sein Gegenüber wirklich braucht, sind mindestens ebenso lächerlich, wie die immer wieder mit viel Schlüpfrigkeit in der Stimme gesungene Formel "Chit Chat" dazu geeignet ist, als neues Codewort für schnellen, telefonischen Sex zu dienen.
Da Texte und Musik bei House vielleicht mehr als anderswo zur persönlichen Aneignung einladen, wird die ganze Gefühlskraft von House möglicherweise für die verschiedensten privaten und öffentlichen Zwecke nutzbar gemacht. Daß dies auch durchaus von den Autoren vorweggenommen wird, mag das folgende Zitat aus einem Interview mit Byron Stingily von Ten City (Spex, Oktober, '92) belegen:" Wenn ich mir Texte ausdenke, dann versuche ich, verschiedene Ebenen zu bedienen. Ein Song wie "Nothing Has Changed" kann ebenso als kleine Beobachtung aus der persönlichen Umgebung verstanden werden, wie als Statement zur Lage des schwarzen Amerika damals und heute. Im Endeffekt mache ich mir aber über die Auswirkung von Musiktexten keine Illusionen, die Wirkung verstrahlt in sehr persönlichen Eindrücken und Erlebnissen, die meist wichtiger sind als irgendeine Botschaft."



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