Kathy P.

Ein Gespräch mit Betty K.

Studentin in Berlin und Domina

spezialisiert auf therapeutische Rollenspiele

durch zufall erfuhr betty k. in den usa von einer adresse in berlin, bei der sie als prostituierte anfangen kann. ihre arbeit als domina stellt sie über die ansprüche ihrer liebhaber. sie weiss von den intimen phantasien ihrer gäste und findet ein stück von ihrer eigenen lust in den gemeinsamen liebesspielen wieder.

Artwork: Ruben Soriano
Wie gestaltet sich dein Tagesablauf im Club ?

Es gibt erstmal drei Schichten bei uns im Laden, das heißt der Laden hat von 10 bis 24 Uhr geöffnet. Das ist ganz gut, die Frauen arbeiten einmal von 10 bis 17 Uhr, die Mittelschicht geht von 14 bis 21 Uhr, ich arbeite eben von 17 bis 24 Uhr.
Das ist praktisch eine große Wohnung, mit verschieden ausgestatteten Räumen, zum Beispiel haben wir einen Klinikraum, ein Gummizimmer für Gummifetischisten, dann je einen Raum für die Dominas und die Sklavias, mit verschiedenen Accessoirs. Im Dominazimmer haben wir Gewichte für Brustwarzen, Schamlippen, Hoden usw., wobei die Peitschen und die Accessoirs der Dominas härter sind, als die der Sklavias.
Mein Tagesablauf sieht so aus, daß ich erstmal ankomme. In der Küche ist ein riesen Chaos, weil die ganzen anderen Frauen auch dort sind. Ich arbeite mit zwei oder drei Frauen in einer Tagesschicht. Wenn jetzt ein Gast kommt weiß er meistens auch schon ganz genau was er möchte. Er setzt sich dann ins Vorzimmer und füllt unseren Fragebogen aus.
Was möchte er gerne, ist er masochistisch, sadistisch, ist er devot, will er sich in Gummi, Dessous oder High Heels kleiden, welche Art von Sklave will er sein, wie sollen seine Körperteile behandelt werden mit Klammern, Nadeln, Wachs, bevorzugt er Rollenspiele, welchen Fetisch Busen, Füße, Po, Strümpfe, eben die ganze lange Liste.
Du gehst dann zu ihm hin und besprichst seine Wünsche mit ihm und den Preis natürlich. Bei den passiven Damen funkioniert das so, daß sie von der Domina vorgeführt werden, der Gast kann sich dann entscheiden, wen er will.
Wenn das Finanzielle geregelt ist, wird der Gast ins Bad geführt und in die intimeren Räume eingewiesen.

Wer geht zum Gast?

Normalerweise die Domina, wobei ich meine Preise auch selber mache. Da ich teils teils als Domina arbeite, an die ganz harten Sachen Strom und Nadeln traue ich mich nicht so ran, ich habe mich auf Rollenspiele spezialisiert.
Zum Beispiel: " Tag, ich bin die Tante." Der Gast ist dann der fünfzehn jährige Neffe, der seine Tante besucht und verführt.

Du bist dann nicht der böse Onkel, sondern die liebe Tante, die etwas von ihrem Neffen will ?

Ja, aber das ist unterschiedlich.
Der Gast kann so was wie ein Kindheitserlebnis haben, das wir zusammen durchspielen.

Wieviel müssen Eure Gäste ausgeben?

Die Preise beginnen bei uns ab 150 DM, eigentlich bekommt man dafür noch nicht soviel. Für ein Anfängerprogramm, wo die Gäste vielleicht selber gefesselt werden wollen oder ein lockeres Rollenspiel ohne viel drumherrum, 200 DM kannste sagen. Die größeren Programme kosten 300 bis 400 DM. Mehr, vielleicht 700 DM, bezahlt man für die Hardcore - Programme. Die Vorführung dauert eine halbe bis eine dreiviertel Stunde.

Gibt es da Konkurrenz um den Freier ?

Bei uns ist das eigentlich ganz gut geregelt, da sich die Frauen meist auf ein Gebiet spezialisiert haben, das hat den Nachteil, daß verschiedene Gebiete wegfallen. Im softeren Bereich ist das so gegliedert, aber im strengeren Bereich muß die Domina Ahnung haben, ob sie nun nadeln will oder mit Strom arbeitet und natürlich der ganze Klinikbereich. Manche sind spezialisiert auf Gummi oder machen die härteren Programme, zum Beispiel " Naß Kaviar ", wenn jemand vollgepinkelt oder mit Kaviar, sprich Kot zu tun haben will, was manche Frauen ablehnen. In der Regel ist es aber schon so, das man ein weiteres Programm macht.Wobei jede ihre Vorlieben hat.

Wie ist der erste Moment beim Zusammentreffen mit dem Gast, ändert sich dein Verhältniss, wenn er wieder geht ?

Zuerst ist er ein fremder Mann, den ich komischerweise meist mit Sie anrede, später aber ganz schnell ins Du verfalle. Das ist intimer, wenn ich ihn beim Vornamen ansprechen kann. Es kommt dann auch sehr auf den Gast an, ob er total passiv ist, nicht weiß, was er eigentlich machen soll und womöglich ängstlich ist, dann muß ich selber die ganze Sache auflockern, das geht bei den einen mehr, bei den anderen weniger.
Bei manchen kommt man total gut zurecht miteinander. Wenn's schief läuft, merke ich, im ganzen Programm findet sich nicht der Punkt. Das ist dann das schwierige den Punkt zu finden, deren Vorstellung zu befriedigen oder ich merke, die haben so garkeine Vorstellung. Es kann sein, daß ich durch das ganze Programm den Punkt nicht finde, auf den die Leute abfahren.

Wie gehst Du damit um?

Ich mache das meistens so, daß ich mit den Gästen darüber spreche. Komischerweise, obwohl das nur eine kurze Zeit ist, die man mit den Gätren verbringt, tauscht man etwas total Intimes aus. In dem Moment, wo man sich in dem Raum befindet, ist das Verhälniss fast so, als ob man sich bereits sehr lange kennt. Wenn derjenige sich schnell wieder angezogen hat und zur Tür begleitet wird, wechselt man die Person gegen eine andere aus.
Es gibt auch Männer, die stocksteif werden, um ihre Anonymität zu bewahren, " ja ich muß jetzt gehen" und nichts wie raus wollen. Das ist halt unterschiedlich. Auch wenn in der kurzen Zeit ganz intensiv Intimes ausgetauscht wird, stört es mich nicht, wenn ich die Männer garnicht kenne, wichtig ist es Einfühlungsvermögen zu haben. Eine gute Domina zeichnet sich nicht aus, indem sie nur draufschlägst und unheimlich dominant ist, sondern sie braucht auch unheimliches Einfühlungsvermögen.
Man sagt auch im SM - Bereich, daß eigentlich die Sklaven oder Masochisten diejenigen sind, die bestimmen. Wenn die ihre Grenzen ereicht haben, kannst Du als Domina auch nicht darüberhinausgehen.
Das ist bei uns mit den Fragebögen ganz gut geregelt, da wird im Vorfeld geklärt, in welcher Schiene er fährt. Manche wollen ganz normalen Kontakt, wollen Schmerzen spühren, dann gibt es die Devoten, die alles mögliche für dich machen möchten, hier und da und bedienen usw. und diejenigen, die Rollenspiele nach einem bestimmten Drehbuch verlangen.

Wie würdest Du euren Laden wirtschaftlich und kategorisch einordnen?

Es gibt alle möglichen Kategorien, wir sind auf SM spezialisiert, bieten normalen Geschlechtsverkehr und Massagen nur am Rande an, generell verdient man mit SM mehr Geld. Die Frauen auf der Straße spezialisieren sich zum Teil auch darauf, nur haben die nicht die Möglichkeiten, die Räume und für SM brauchst Du ja auch ein bestimmtes Ambiente. Die SM Clubs sind auch meistens in Häusern. Es gibt verschiedene Strategien, ich muß ja auch Geld abgeben, 50% bekommt das Haus. Offiziell natürlich nicht, daß wäre ja Zuhälterei.
Manche Läden wollen nur 30%, dafür muß jede Frau ihre eigene Werbung bezahlen, sprich Kontaktanzeigen, Annoncen in Tagesblättern oder innerhalb der einschlägigen Magazine, Stadtführer usw, da geht auch 'ne Menge für drauf.

Bietet dir deine Arbeitsstelle außer Werbekosten noch andere Leistungen ?

Das ist auch so ne Sache, wo Hydra sehr daran arbeitet, daß Hure als Beruf anerkannt wird. Wenn Du Fulltime arbeitest, hast Du Schwierigkeiten dich bei der Krankenkasse anzumelden. Wenn die erfahren, daß Du als Hure arbeitest, fliegst du raus. Prostituierte müssen dann Hausfrau als Beruf angeben und da fängt auch schon das Doppelleben an. In den ganzen Häusern gibt es kein Urlaubsgeld.
Gut, du kannst zwar von heute auf morgen sagen, du kommst nicht mehr, da keine Arbeitsverträge existieren. Alles läuft auf einer mehr oder weniger verbindlichen Freundschaftsschiene ab. Wenn Privatleben und Arbeit vermischt werden, driftet alles sehr schnell ins Emotionale ab. Oft muß du dich ziemlich durchsetzten, wenn du zum Beispiel weniger arbeiten willst, wie ich nur einmal die Woche seit ich studiere.

Inwieweit bedeutet Deine Profession ein Doppelleben?

Ich kann selbst bei mir sagen, obwohl ich nur wenig arbeite, das ich ein Doppelleben führe. Wenn ich gefragt werde, was ich arbeite, vertraue ich nicht jedem oder jeder an, wie ich Geld verdiene. Ich würde es zwar gerne oft rausschreien, merke aber im zweiten Moment, es ist besser es nicht zu tun.
Das ist ein Problem von Doppelmoral in unserer Gesellschaft. Oft habe ich die Erfahrung gemacht, daß Freunde und Bekannte positiv darauf reagieren, nicht alle, manche sind auch echauffiert, weil ja ein bestimmtes Bild von einer Prosituierten in den Köpfen existiert. Frauen, die das Hauptberuflich machen, haben bestimmt große Probleme mit ihrer Identität. Viele suchen in dem Metier einen gewissen Beistand und rekrutieren auch ihre Freundschaften da heraus, eben weil sie hier unter sich sind und ihre Identität nicht zu verschweigen brauchen.
Du hast immer mit der Phantasie der anderen Menschen zu kämpfen, du weißt nie, was in ihren Köpfen vor sich geht.

Der Laden, in dem Du arbeitest, wird von Frauen geführt.

Ja, genau und wenn ich mal so überlege sind die ganzen SM Clubs, die ja privat geführt werden, überwiegend von Frauen geführt.

Kommen auch Frauen als Gäste zu Euch oder gibt es Läden, die Sex für Frauen anbieten ?

Es wäre zwar sehr schön, wenn Frauen kommen würden, aber ne, eher nicht. Ich glaube, daß Frauen Angst haben, da das ja eine Männerdomäne ist. Viele sagen auch, daß Frauen das nicht so brauchen, ihren Trieb ausleben. Aber das glaube ich nicht, Frauen haben genauso sexuelle Phantasien, die sie auch gerne mal ausleben möchten, aber mit ihrem Partner nicht können. Warum soll das bei Frauen nicht auch so sein ?

Wir machen einmal im Monat SM - Partys, wo man sich verschiedene Sachen mal anschauen kann, da werden Vorführungen gemacht und da kommen mittlerweile auch Pärchen und Frauen, aber überwiegend schon Männer. Etwas schade von der Gleichberechtigung her ist es schon, daß man irgendwo hin gehen und seine sexuellen Phantasien ausleben kann und dann wieder zurück geht zur Beziehung oder ins traute Heim und die Türe zu macht. Ja, aber leider gibt es das nur für Männer.

Frauen sind meistens Opfer bei Lustmorden von sadistischen Mördern, die aus der Motivation sexueller Befriedigung heraus handeln. Umgekehrt gibt es einen Fall " Myra Hindley ", bei dem eine Frau als Lustmörderin verurteilt wurde. Die Gesellschaft beurteilt solche Verbrechen, in denen Frauen als Sadistinnen handeln, unterschiedlich hart. Kannst du aus den Erkenntnissen deines Berufs beurteilen, warum das so ist ?

Es stimmt schon, daß die Schemata für Frauen und Männer andere sind, meinetwegen aktiv/passiv oder die Anleitung für Lustmorde von Männern vorgegeben sind, sei es durch die Medien oder einfach weil es bereits eine Tradition gibt.
Es stimmt auch, daß viele Prostituierte Opfer sind, ich denke das kommt auch von der Männerwelt her, daß die Angst haben, weil Prostituierte Mitwisserinnen sind um die sexuellen Phantasien der Männer.
Ich kann nur von mir sprechen, durch meinen Umgang mit Männern habe ich an Selbstbewußtsein dazugewonnen. In dem Moment, wo man mit Männern was macht, auch die Schwächen kennenlernt und das wird dann oft unter den Tisch gekehrt. Daß es keine sadistischen Frauen gibt, das stimmt einfach nicht.
Ich glaube die Erfahrung gemacht zu haben, daß im SM - Bereich beides sehr nahe beieinander liegt, das eine geht nicht ohne das andere. Selbst Dominas oder auch Frauen, betrifft auch die Männer, die so total sadistisch sein wollen, die haben den Schmerz, den sie anderen zufügen wollen, bei sich selber auch erlebt. Das sind oft sehr tiefe Kindheitserinnerungen, die gar nicht mehr so bewußt sind und beim Sex ausgelebt werden können. Gerade weil beim Sex der Intellekt ausgeschaltet wird und der Körper vom Unterbewußtsein gelenkt wird, kann man im SM - Bereich vieles wieder aufarbeiten.
Ich habe sehr lange SM zwiespältig gegenüber gestanden, wo ich mir gedacht habe, " mein Gott, was lassen die Leute mit sich machen ?" Weil das in manchen Fällen schon zu weit geht. Ich kann von mir sagen, ich habe vieles ausprobiert und tue es noch. Meiner Ansicht nach muß man aber Abstand nehmen können und das ganze reflektieren.
Viele kommen da rein und können das ab einem gewissen Punkt nicht mehr bewältigen, das ist dann wie 'ne Droge, den Schmerz immer stärker spüren wollen. Oft werden unüberlegt, unkontrolliert Machtverhältnisse, sadistische Sachen auf andere Personen übertragen. " So, jetzt kriegt die aber das, was ich einstecken mußte."

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