Erik Schmidt

Pilli sitzt auf ihrem neuen Designerstuhl am Fenster und starrt auf das gegenüberliegende graubraune Haus. Ihre Haare sind noch naß vom Duschen und sie friert ein wenig. Das Haar ist zu lang. Sie greift eine feuchte Strähne und läßt sie durch ihre Finger gleiten. Ihr Magen ist leer. Ihr ist etwas übel. Der Himmel ist grau, ihr Pullover auch.

Er ist verwaschen, aber er war mal ihr Lieblingspullover. Der leere Gehsteig, die Fahrbahn, die Straßenbahnhaltestelle an der das neue schwarzweiße H&M Plakat hängt. Ihr Blick geht wieder zu dem Haus, und ihre Gedanken sind bei dem Drehstuhl auf dem sie sitzt, mit seinem blauen Kunststoffbezug und seinen verchromten Beinen, und sie erinnert sich an den letzten Mittwoch.
Pilli sitzt mit ihrem neuen Lover in einer neuen Bar. Sie haben dort Dominik ihren befreundeten australischen Künstler getroffen, der mit einem englischen Pärchen gekommen ist. Pilli trinkt Sekt und ihre Hand gleitet über den Schoß ihres Lovers, der mit Dominik redet. Sie schaut in die Runde und fängt an zu denken: Australien, Australien, Dominik ist so süß! Etwas spießig sieht er aus. Diese Künstler sind doch so verrückt, ob er an mir interessiert ist?
Ihre Hand fühlt den Schwanz in der Hose ihres Lovers. Gott sei Dank, habe ich ihn dabei, er ist so unterhaltsam. Komische Bar, sie ist so leer, und ich habe noch nie von ihr gehört. Verrückte Leute aus England sind das, aber London ist im Moment viel angesagter als New York. Ihr neuer Lover nimmt ihre Hand und fragt, ob sie auch noch etwas essen will. Essen? Wie bitte? Ich möchte nichts essen. Wieso fragt er mich denn? Er weiß doch, daß wir Zuhause gegessen haben. Ein Junger Mann betritt die Bar, kommt zu ihnen an den Tisch und begrüßt Dominik herzlich. Blöder Typ, das ist der Freund von Dominik. Pilli fährt mit ihrem Finger über ihren spitzen Mund. Die beiden Schwulen, so viele sind schwul. Pilli streicht mit ihrer Hand durch ihr Haar und blickt zu den Engländern. Und dieser Engländer ist mir etwas zu alt, und diese kleine Engländerin, die sieht aber nicht aus wie eine echte.
Pilli fragt: Where do you come from? Die Engländerin erzählt von London von einem Stipendium in Amsterdam und von ihrer indischen Abstammung. Deswegen ist die auch so dunkel im Gesicht. Pilli lehnt sich zurück und denkt kurz an ihre Geburtsstadt in Ostwestfalen. In Herford gab es keine Inder. Und die hat ein Stipendium in Amsterdam, dann kann sie sich ja gut mit meinem Freund unterhalten, der hat ja auch mal in Holland gelebt.

Ich kann diesen Engländern nicht folgen, es ist so schwer. Und der blöde Dominik könnte mal Deutsch reden, ich denke, der wohnt schon solange hier. Keiner redet mit mir. Na ja, ich muß nur etwas sagen. Pilli fragt: How long do you stay? Ah, one week. Eine Woche bleiben sie hier, man könnte sie zum Essen einladen.
Ich habe es mir immer gewünscht, daß mein Zuhause ein gesellschaftlicher Treffpunkt wird. Ich kann leider so schlecht kochen, aber dann muß man das Essen kommen lassen. Der Barmann kommt. Wie bitte? Ja, ich möchte noch einen Sekt. Dann fühlt sie ihren Bauch. Ich gehe mal für kleine Mädchen. Pilli steht auf. Oh, ich bin ganz schön betrunken. Dominik ist wirklich süß, der findet bestimmt meinen Lover geil. Pilli geht in Richtung Klo.
Der Barmann ist auch eine richtige Tucke, aber so eine Fiese. Ich hasse Schwule. Pilli schließt sich in eine Toilettenkabine ein und setzt sich hin. Oh mein Gott, die Toilette ist aber sauber, hat man selten, na ja, die ist auch ganz neu die Bar und schicke Stühle haben die hier. Siebziger Jahre Design, aber neu. Designerstühle habe ich gerne.
Pilli fühlt mit ihrer Hand ihr Schamhaar und fängt an, sich zu entleeren. Das tut aber gut, meine Blase war wirklich voll und Dünnschiß habe ich auch wieder. Ich sollte nicht soviel Kaffee trinken, aber so bleibt man wenigstens schlank.
Pilli geht zurück zum Tisch und sie nimmt ihr neues Glas Sekt und trinkt schnell. Jetzt will ich mich aber endlich etwas unterhalten! Man hat ja nicht immer Gelegenheit Ausländer kennenzulernen.
Pilli schaut zur Bar. Peinlich dieser Barmann, dich fickt sowieso keiner. Ich bin so betrunken. Pillis Lover steht auf. Ach, wir gehen schon. Wieso denn? Du bist aber langweilig. Sie verabschieden sich, bye, bye, yea, we see us again, bye, bye.
Sie bezahlen an der Bar und Pilli schaut den Kellner an. Total leer ist es hier, nur wir und diese blöde Bartrine sind noch hier. Es ist wirklich besser, wenn wir gehen. Ich habe auch keine Lust mehr.
Mir gehen die Ausländer auf den Geist. Der Ausgang ist da hinten, los raus. Pilli!
Was machst du denn da?
Pilli nimmt ihren Lover an die Hand und geht schnell zum Ausgang, dann greift sie mit der anderen Hand einen Designerstuhl und läuft los. Schnell, los zum Auto, selber Schuld, diese blöde Barschlampe, wenn sie nicht aufpaßt. Schöner Stuhl, geiler Stuhl, los lauf. Sie laufen zum Auto und ihr Lover öffnet den Wagen. Pilli legt den Stuhl auf den Rücksitz und freut sich über den gelungenen Abend.