Ellen Nonnenmacher
Der Taxifahrer fährt so langsam. Obwohl hier garnichts ist, nachts um vier. Sieht er Freunde oder liegt es an der Ampel ganz da vorne, die rot ist? Was geht ab? Soll ich ihn mal fragen? Ach, da steht eine Frau auf der Straße und winkt hektisch. Ist wohl betrunken. Taxi hält an. Die Frau will, daß wir ins Krankenhaus fahren oder einen Arzt rufen. Der Taxifahrer ist sofort überfordert und weiß die Hausnummer nicht. Er will die Feuerwehr rufen, aber das kann er nicht, wenn er die Hausnummer nicht weiß. Die Frau will hauptsächlich, daß wir jetzt gleich etwas tun. Es geht um eine Katze, die auf der Straße liegt. Ich krame nach meinem Handy und schalte es ein. Der Taxifahrer ruft aber schon über die Zentrale die Feuerwehr. Die Frau hockt neben der Katze, weint und streichelt. Es hat vielleicht geregnet. Ich biete dem Taxifahrer eine Zigarette an. Er hat die Uhr ausgeschaltet als wir angehalten haben. Das fand sích sehr in Ordnung. Die Katze liegt am Straßenrand, neben den geparkten Autos. Ich hocke mich zu der Frau und streichle probeweise auch mal. Die Katze ist tot. Offensichtlich. Frau weint und streichelt. Ich frage: welche Katze, warum hier? Weshalb tot frage ich noch nicht, weil ich denke, das hat sie noch nicht realisiert. Die Frau ist sehr traurig. Die Feuerwehr scheint unterwegs zu sein. Frage den Taxifahrer, ob es o.k. ist noch ein Weilchen zu warten. Will eine weinende Frau nicht alleine auf der Straße lassen. Frau streichelt Katze und weint. Hat Ehering an der Hand. Ich frage weiter. Fakten, denke ich, bringen wieder eine Basis in die Situation. Mag nicht die eh schon tote Katze streicheln. Man müßte die Frau streicheln, in den Arm nehmen, ist so traurig, aber ich kenn sie ja kaum.
Katze ist Kater sagt sie, ist weggelaufen, ist jetzt tot. Das hat sie inzwischen gemerkt. Frau hat Mann zuhause, will Katze einbuddeln, nicht verbrennen lassen. Schaue, was Taxifahrer macht. Rucksack und die orangene Nudelsalatschüssel sind noch im Wagen, fällt mir ein. Taxifahrer sagt, er muß sowieso auf Feuerwehr warten, weil er sie gerufen hat. Frau sagt, sie geht ihren Mann holen. Hat ein rotes Fahrrad, Mann wohnt um die Ecke. Taxifahrer und ich stehen neben der toten Katze. Fällt mir schwer eine Beziehung zu dem Tier aufzubauen, das eh schon tot ist. Taxifahrer versucht Beziehung zu mir aufzubauen. Fragt mich, ob mein Partner nicht wartet. Der schläft schon, sage ich, macht keinen Unterschied ob ich eine Viertelstunde früher oder später nach Hause komme. Ist natürlich gelogen, weil Carsten ja auf dem Land ist, aber einfacher. Eigentlich ist er nett, der Taxifahrer. Ich erkläre ihm, daß mir diese tote Katze scheißegal ist, aber man die Frau nicht so alleine lassen darf. Glaub nicht, daß ihn das kümmert. Wir stehen direkt neben der Katze. Ich will nicht, daß ein Auto drüber fährt und das Tier zermanscht. Die Frau hat erzählt, daß der Kater vor vier Wochen abgehauen ist. Schon blöd, das Vieh dann nachts um vier tot auf der Strasse zu finden. Die Frau kommt tatsächlich wieder, ohne Fahrrad, mit Mann. Der läuft hinter ihr. Der Mann hebt Katze auf. Die Frau weint immer noch. Irgendetwas stimmt nicht, der sollte sie in den Arm nehmen und trösten, tut er aber nicht. "Guten Abend", sage ich förmlich. Jemand muß die Form wahren. Mann steht da mit toter, steifer Katze auf dem Arm, sieht irgendwie erstaunt aus, seine Hose ist zerrissen. Taxifahrer fragt, ob sie nichtmehr auf Feuerwehr warten wollen. Wollen sie nicht, da Katze ja sowieso tot. Zentrale schlägt vor, Tier mit nächstem Taxi wegzufahren, ich sage jaja, nächstes Taxi, Frau sagt nö, will verbuddeln, nicht verbrennen, Mann sagt, wieso, der ist doch tot. Mann geht mit toter Katze in Richtung nach Hause, Frau geht in andere Richtung. Vielleicht sucht sie noch was? Kehrt aber wieder um. Taxifahrer und ich fahren los. Es wird schon wieder hell. Ich gebe etwas mehr Trinkgeld als sonst. Vor der Wohnungstür gegenüber, im zweiten Stock, sitzt ein Vogel und schläft. Ich schau zweimal, Federball mit Vogelkopf, fliegt nicht weg, lebt aber noch. Guckt ein bischen. Ich beschließe den Vogel nicht wegzuräumen, obwohl ich Angst habe, daß die dicke Nachbarin morgens drauftritt.

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