Lars Bulnheim

Joe Bataan

Muchacho ordinario

Joe and the Latin Swingers wohnten alle im selben Viertel, Fast 98th bis zur Fast East 110ten Straße, sie waren zur Zeit ihrer Gründung die jüngste aller Latino Kapellen, in New York. Joe selber war als einziger nicht richtig Lateinamerikanischer Herkunft, er war Sohn einer Philippinin, sein Vater war schwarz. Er wuchs halt im spanischen Teil der Stadt auf, seine Kumpels sprachen spanisch, also lernte er es auch.

Im Oktober 1966 gründete Joe die Latinswingers, sie spielten in den kleinen Latino Clubs, die Band war heiß, kein Zweifel. Joe war für die englischgesungenen Titel verantwortlich, er sang und spielte Klavier, sein Gesangsstil war eindeutig vom Soul beeinflußt, aber mit der Phrasierung der Lateinamerikanischen Sänger. Seine Latinswingers hatten diesen Boogaloosound drauf, der sich auch bei Afroamerikanern größter Beliebtheit erfreute. Der Boogaloo eroberte die Tanzflächen im Sauseschritt, man warf erst den linken Arm, dann den rechten in die Luft, ein Ausfallschritt nach vorne und dann den ganzen Körper schütteln, ganz simpel, wie es sich für einen Teenagertanz gehört.

Ihr erstes Album nahmen Joe & seine Latinswingers für Fania Records auf, die Plattenfirma für Lateinamerikanische Musik im New Yorker Exil, die lokalen Radiostationen spielten die Platte rauf und runter. Ein zweites Album wurde produziert. Latin-Soul war derweil zu einem Begriff geworden. Das dritte und letzte Album für Fania sollte sein Meisterstück werden: 'RIOT' ist ein agitatorisches Meisterwerk ohne intellektuelle Dünkelei. Schaut Euch das Cover an, ein Haufen smarter Latinos, bewaffnet mit Messern, Schlagstöcken und Flaschen, die Kulisse bildet das Ghetto mit seinen Wohnblocks. Vorher gefönt und pomadiert, den Schnurrbart millimeterdünn gestutzt und dann auf in die Schlacht, so einen Aufstand möchte ich auch mal erleben. Wenn die depressive Stimmung, die Sly Stone in 'There's a Riot going on' transportiert, die Niederlage der kämpfenden Ghetto-Bewohn markiert, ist Joe Bataans 'Riot!' der Wendepunkt zu einer, nicht nur übers Wort ausgetragenen Auseinandersetzung.
Der Titelsong ist eine Coverversion des Smokey Robinson-Klassikers 'Good Feeling', Rrrriot, it's a good good feeling, wird da einfach gesungen und das ganze mit einem Latinbeat versehen, der Dich tanzen läßt. Das schwarze Amerika und auch das Spanisch sprechende Amerika wußte genau, warum sie sich nicht mit den ewig diskutierenden Studenten verbündeten, Action speaks louder than words, sang Reuben Bell 1968, das traf die Stimmung unter den Marginalisierten.
Die Plattenfirma sah sich gezwungen, den Titel zu kommentieren; 'Riot is a song of Joy and good feelings expressed thru Music and not of violence'. So ist das wohl, wenn sich die Jugend bewaffnet und Repressionen nicht mehr hinnimmt.
Daß die Jahre um 'Riot' die explosivsten waren, die Amerikas Innenpolitik erlebt hat, daß sich die Black Panther Partei gründete, und der Krieg Schwarz gegen Weiß, Arm gegen Reich zuspitzte, liegt natürlich nicht an Joe Bataan. Er gab nur die Stimmung wieder, die damals in den Ghettos herrschte.
Joe Bataan verließ die Latinswingers, und mischte bei der Fusion von Latin und Funk mit, die auf dem jüngst erschienenen Nu Yorica Sampler dokumentiert ist.
Seine nächste LP sollte 4 Jahre später erscheinen, sie hieß Salsoul, das wohl wichtigste Disco Label benannte sich nach dieser Platte. Salsa, Soul und Funk waren Joes Spielwiese, er nahm (zum dritten Mal) seinen größten Hit 'Ordinary Joe' auf, diesmal in Spanisch gesungen. Ordinary Joe richtet sich an sein Mädchen, das ihn wegen einem Reichen verläßt, die erste noch nicht wirklich geformte Fassung seiner politischen Orientierung, der Reiche greift mit seinem Geld in sein Leben ein, er nimmt ihm sein Mädchen weg, seine Würde und er sperrt in ins Ghetto.
Auf 'Salsoul' findet sich auch eine Lifeaufnahme aus Ost-Berlin, eine sozialistische Hymne 'Peace, Friendship, Solidarity', auf Russisch, Deutsch und Englisch gesungen, er widmet den Song den 'struggling People all over the World'. Joe Bataan wußte, wo er hingehört, daß er ganz nebenbei auch die Tanzmusik revolutionierte, Latin und Soul fusionierte und als Großvater von Rap und Disco Schulterklopfen verdient, ist recht unbekannt hierzulande.
Salsoul war der Namensgeber des wohl wichtigsten Disco-Labels, die Weiterentwicklung von Salsa und Funk führte schließlich zu Disco. (Und Disco zu House.)
Joe Bataans letztes Lebenszeichen und sein größter Erfolg war der Oldschool-HipHop-Hit 'Rap-O-Clap-O', natürlich auf Salsoul erschienen. Wen wundert es, daß Joe Bataan auch beim HipHop erste Generation war? Die Breakdance Crews der jungen 80er rekrutierten sich aus Latinos und Schwarzen, wer HipHop als rein schwarze Kultur erklärt, liegt falsch!
Joe Bataan dokumentiert die Geschichte der Tanzmusik wie kein Zweiter, 'The Source' würdigte ihn in der April-Ausgabe, ansonsten brech ich einfach eine Lanze für Joe Bataan