Bettina Bartzen

Gedanken einer
Prostituierten
und eines
Freiers

Mein erstes Erlebnis war mit 14 Jahren, als ich heimlich Reportagen über SM gelesen habe. Lange habe ich mich getraut, einen Schritt in diese Richtung zu machen, bis ich Jahre später Dominique auf einer Party kennenlernte. Sie bot mir eine Ausbildung als Domina an; seitdem arbeite ich dort. Viele Dominas arbeiten erstmal als Sklavia, was überhaupt nicht mein Ding ist. Ich schätze da angenehme Arbeitsklima, da ich mit meinen Kolleginnen viele Gemeinsamkeiten teile. Es ist anders als z.B. im Büro, wo nur die Schreibmaschine miteinander verbindet. Für Dominas ist es immer noch einfacher zu sagen, was man arbeitet, als für eine Sklavia. Als Domina hat man immer den Exotenbonus. 'Nein wirklich? Das tust Du? Erzähl doch mal!!!' In meinem Bekanntenkreis hat es teilweise schon Probleme gegeben. Das hatte weniger mit den Sexpraktiken zu tun als damit, daß ich Geld verdiene. Ich habe mich mit den Leuten geeinigt, das Thema Beruf einfach wegzulassen. Allerhöchstens in meinem Heimatdorf darf ich es nicht sagen. Da meine Mutter mit einem Pfarrer zusammen ist, und das könnte arge Probleme geben. Sie hat mich inständig darum gebeten, daß ich es ihrem Partner nicht erzähle.
Es gibt einen Unterschied zwischen unseren Studiogästen und den Leuten auf Fetischparties, die offener gegenüber SM sind. Die Gäste, die ich habe, sollten sehr viel Phantasie mitbringen. Gerade wegen der Rollenspiele. Sie sollten das Ganze nicht so bierernst nehmen. Sex soll doch Spaß machen.
Im privaten SM-Bereich kennt man den Partner, im Gegensatz zum professionellen Bereich. Ich habe sehr viel mit Leuten zu tun, die das erste Mal in einem Studio sind. Man muß sehr viel auf Körpersprache achten, auf Nebensätze und Kleinigkeiten. Zu Hause habe ich mein 'kleines normales Leben'. Im Studio lebe ich meine Phantasien aus. Damit bin ich von beiden Seiten beglückt.
Es mag vielleicht eingebildet klingen: aber ich finde, in einem Studio ist es doch etwas gehobener. Ich sehe einen klaren Unterschied zwischen Straßenprostitution und einem Bordell. Ich kann mir nicht vorstellen, daß in ein Köfferchen eine Streckbank hineinpaßt. Für mich ist auch ein Werbetext Prostitution. Viele Leute sagen, daß ich mich zum Vorteil verändert habe. Ich reagiere selbstbewußter auf Anmache und Schikane. Trotzdem sitze ich immer noch gerne auf meiner Couch, schaue TV und stricke.
Ich wollte eine Erfahrung wiederholen, die ich einmal als Schuljunge hatte. Die anderen Kinder wurden über die Bank gelegt und mit einem Rohrstock verprügelt. Das blieb immer in meiner Phantasie. Später entwickelte sich eine Art Obsession, diese Erfahrung einmal zu machen oder von außen zu beobachten. Viele Jahre habe ich das weggeschoben und vergraben. Dann habe ich die Anzeige von diesem Studio gelesen. Zuerst konnte ich mich für keine der Frauen entscheiden. Als ich mich dann entschieden hatte, mußte ich die Erfahrung machen, daß die Realität nicht meinem Traum entsprach. Obwohl ich alles bis in alle Einzelheiten durchdacht hatte. Selbst die Lederhose hatte ich bereits gekauft. Ich hatte weder beim Schlagen noch beim Geschlagenwerden sexuelle Empfindungen. Hinterher war ich sogar impotent.
Bei einem Vortrag über SM hörte ich, etwas pauschalisiert, SM sei im Grunde nur die verdrängte Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Hautkontakt. Es sei eine Art Panzer, um das sensibe Ich zu schützen. Mit diesen Gedanken bin ich nochmal zu einer Frau gegangen und hatte ein wunderbares Ergebnis. Seitdem ist diese Phantasie weniger geworden. Allerdings kommt sie manchmal wieder, wenn ich längere Zeit enthaltsam war. Ich bin nicht enttäuscht, sondern erleichtert, weil ich den Mut hatte, meine Phantasie auszuleben. SM ist für mich nur durch Zärtlichkeit und Zuneigung mäglich. Nur Schlagen alleine erfüllt die Sache nicht.
Ich glaube nicht, daß es eine besondere Kategorie von Frauen sind. Sie stellen ebenso einen Querschnitt dar, wie die Männer. Es gibt verschiedene Grade des Bewußtseins bei Männern und Frauen in diesem Bereich. Manche glauben an Sex als Konsumgut, andere versuchen etwas Persönliches zu geben. Wobei die Möglichkeit einer Liebe sehr gering ist. Für Menschen, die ihre Vorstellung von Sex nicht verwirklichen können, ist es positiv ins Bordell zu gehen. Wenn es Gleichberechtigung gibt, sollte es auch Bordelle für Frauen geben. Es geht ja schließlich auch bei den Männern nicht nur um den puren Sex.


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