Claudia Reinhardt

Wie mit dem Paragraph. 218 Bevölkerungspolitik betrieben wird

Nach dem Hin und Her im Streit um ein einheitliches deutsches Abtreibungsgesetz, sieht es im Moment so aus, daß durch den eingefügten Paragraph. 219 StGB versucht wird, abbrechende Ärzte und Ärztinen sowie Angehörige bei einer vorgenommenen Abtreibung zu bestrafen. Auf eine Krankenkassenfinanzierung soll verzichtet werden.

Die Fristenregelung, die es in der DDR gab, wurde kurzerhand als rechtswidrig abgetan und gilt nicht mehr. Kriminologische Begründungen, wie Vergewaltigungen, sind ebenfalls in der Rechtsbegründung verschwunden.

Man hat sich geeinigt, dieses Gesetz, das ein Lebensschutzgesetz ist, "Schwangeren- und Familienhilfegesetz" zu nennen. Diese Formulierung, so wird das offen gesagt - und man ist stolz auf diese Offenheit, soll schon in der pathetischen Sprachfindung klar machen, daß "alles daran gesetzt wird, den eigenverantwortlichen Willen der Mutter zugunsten des Kindes notfalls hervorzurufen, jedenfalls zu stärken, nachhaltig zu unterstützen und ihm zum Erfolg zu verhelfen." Der Wille soll zur Macht kommen, nur ist sein Ziel schon vorgegeben. Es soll alles mögliche getan werden, zum Beispiel mehr Spielplätze gebaut werden, um den Frauen ein Leben als Mutter wünschenswert anzu-bieten. Der jetzt eingefügte Paragraph. 219 will aus der Hilfe eine Pflicht machen und beschreibt die schwangere Frau als bedauernswertes Opfer. Formuliert ist das folgend:
"Wer aus verwerflichen Eigennutz auf eine Schwangere einwirkt, um sie zu einem Abbruch der Schwangerschaft zu bewegen, wird im Fall des Abbruchs der Schwangerschaft mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Der zweite Absatz dieses Paragraphen:
"Wer seiner schwangeren Tochter oder einer von ihm schwangeren Frau in einer Notlage nicht Hilfe leistet, obwohl dies zur Abwendung eines Schwangerschaftsabbruch erforderlich und den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten oder eigener schutzwürdiger Interessen möglich ist, wird im Fall des Abbruchs der Schwangerschaft mit einer Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit einer Geldstrafe bestaft."
Damit haben wir die höchste Strafandrohung in ganz Europa. Man geht davon aus, daß bei einer hohen Strafandrohng, die Zahl der Abbrüche zurückgeht, was nicht nur der gesunde Menschenverstand widerlegt, sondern auch Statistiken von Ländern, in denen es andere Regelungen gibt.
Die Hilfeleistung bezieht sich also ausschließlich auf das ungeborene Leben, d.h. es wird auf den Schutz des Ungeboren Lebens verwiesen, ohne zu fragen wovor das ungeboren Leben geschützt werden soll. Es geht nur um den Schutz vor Tötung, nicht um den Schutz vor einem Leben als unerwünschtes Kind.
Es wird davon ausgegangen, daß eine Hilfeleistung nicht die Hilfeleistung für einen Schwangerschaftsabbruch meint. Das Wort Hilfeleistung meint hier die Pflicht einer finanziellen Fürsorge für das Kind und spricht mit keiner Silbe über die Vorstellung von Hilfe aus der Sicht der Schwangeren, um die verhandelt wird.
In den Diskussionen über die Neuregelung wird eines ganz deutlich, nämlich daß es besondere Grundrechte für die Frau in Deutschland gibt. So muß sie beweisen, daß sie kein gewissens- und verantwortungsloses Wesen ist, wenn sie sich für einen Abbruch entscheidet. Das Grundrecht der Frau stellt sich als ein eingeschränktes Recht heraus und steht zur Opposition des in ihrem Bauch wachsenden Lebens. Es ist besonders dann begrenzt, "wenn nach der Natur eine besondere Verantwortung gerade für dieses Leben besteht." Das Geschlecht, als Natur, macht die Frau zur rechtmäßigen Gebärmaschine, zum degradierten Objekt, denn nur der Körper, nicht die Bereitschaft der Frau, ermöglichen nach deutschem Grundrecht neues Leben. Persönlichkeitsrechte gibt es nicht für Frauen, dafür aber für Embryonen.
Es ist eine Rechtspflicht, ein Kind auszutragen. Damit wird auch die Frage des rechtlichen Status eines Embryos nicht mehr gestellt.
Es ist Sache des Gesetzgebers, Ausnahmen für einen straffreien Abbruch zu machen und eine Unzumutbarkeit zu bestimmen. Finanzielle Not zählt nicht. Eine Abtreibung steht nicht unter Strafe, sondern der Verstoß gegen die ständig wechselnden Vorschrifen, die den legalen Abbruch regeln, wird bestraft. Grundsätzlich ist jetzt eine Abtreibung "nicht strafbar" aber als "rechtswidrig" definiert. Was das bedeutet, werden wir erleben; die Manipulation ist unverkennbar.
Folgt man aber den Paradoxien dieses Paragraphen und läßt die Grundrechte nicht einfach unter den Tisch fallen, muß man ihn so interpretieren, daß die Frau selbst entscheiden kann, ob sie die Rechtmäßigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs feststellen lassen will oder darauf verzichtet. Denn selbst das Grundgesetz geht von einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit aus, die vor einer staatlichen Bevormundung geschützt werden muß. Das gilt für alle Menschen, Frauen nicht ausgeschlossen.
Dank nicht eindeutiger Formulierung ist es rechtlich möglich, eine Abtreibung von der Krankenkasse bezahlt und ohne Zwangsberatung zu bekommen, vorausgesetzt man findet einen Arzt oder Ärztin, die nicht schon völlig eingeschüchtert durch die infamen Strafandrohungen sind. Denn die sogenannte Beratungslösung wurde zwar dafür entwickelt, um eine Schwangere dahin zu bewegen, ihr Kind unbedingt zu bekommen (die Gebärpflicht als oberstes Gebot), aber letztendlich enthält auch dieses Gesetz das Prinzip der Letzverantwortung der Frau.
Wichtig bei der ganzen Debatte ist, daß die Schwierigkeiten nur für Frauen bestimmt sind, die es sich nicht leisten können eine Abtreibung selbst zu finanzieren. Reiche Schwangere müssen sich nicht bescheinigen lassen, daß sie sich in einer Ausnahmesituation befinden, wenn sie einen Abbruch wünschen.
Die Zwangsberatung, als Übergangsreglung eingeführt, soll der Schwangeren das Bewußtsein vermitteln , daß das Ungeborene auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat. Diese Bewußtseinsgebung ist jetzt auch in die Pflichten der Ärzte transportiert worden. Das ergibt dann ein verkapptes Strafrecht gegen abbrechende ÄrztInnen, wo der Inhalt eines Beratungsgespräch, das der Arzt mit der Schwangeren führen muß, gesetzlich festgelegt ist.
Der Arzt als Verlängerung des moralischen Aufgebots des Staates, ohne Anerkennung der sogenannten Gewissensfreiheit von ÄrztInnen. Eine Strategie der modernen Bevölkerungspolitik. Dagegen sollten sich Ärzte wehren und das können sie auch. Die Humanistische Union und die Pro Familia erklärten sich bereit, solche ÄrztInnen rechtlich zu unterstützen. Doch ist eine Klage von Seiten der Ärzte kaum zu erwarten, denn schließlich sind illegale Abtreibungen ein Geschäft.
Frauen geht der Paragraph. 218 schon lange nichts mehr an. Richter entscheiden über die Wünsche von Frauen und bezeichnen es als "normal, daß eine Frau in der Aufgabe als Mutter ihre Erfüllung findet" und folgend krank oder irre ist, wenn sie das nicht tut. Die normale Frau zweifelt nicht an der Biologie als Schicksal. Erst wenn eine Frau beweisen kann, daß sie durchdreht mit einem Kind darf sie abtreiben. Doch es ist rechtmäßiger, erst nach der Geburt depressiv und unglücklich zu werden.



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