Zoran Zupanic

Thesen und wahre Märchen auf dem Weg zur Resignation

Ein alter Mann aus Osijek: "Bomben sind mir nicht unbekannt, den zweiten Weltkrieg erwartete ich in Zemun (bei Belgrad) als kleiner Junge. Danach kam Flucht, Angst, Hunger und Armut. Die Befreiung wurde schnell zur Enttäuschung. Versprechen gab es en masse. Natürlich wurde nicht alles geglaubt, aber man dachte, wenn sich auch nur ein kleiner Teil bewahrheitete, wird uns ein glückliches Alter sicher sein. Glück - die Zufälligkeit einzelner Begebenheiten!! Vor langer Zeit schon trennte ich mich von meinen Träumen; meine Ambitionen, gemessen an subjektiven Vergleichen, waren gering: Ein wenig Schmerz für mich und etwas mehr für die Welt, welche mich umgibt. Mit einem Wort: ein Mittelwert an Moral, Patriotismus und Optimismus. Doch es wurde finster um uns, der letzte Funke in mir von der Dunkelheit erschlagen. Geduldig ertrug und ertrage ich die Wunden und Trümmer meiner eigenen Vergangenheit. Wieder Bomben, Vertreibung, Angst, Ungewißheit und Unsicherheit. Zu alt bin ich für eine Flucht, jeglicher Art, zu jung um Sakramente zu empfangen, wie jene, die schon am Ende ihres Weges sind. Ich habe Angst, daß mir Leben genug bleibt, um eine Existenz in diesem häßlichen Umfeld in meinem Hirn fotografisch zu manifestieren. Was für Bilder? Ich fühle mich häßlich und verfehlt. Es ist oft die Rede vom Asyl, ich habe keines - nicht in mir, nicht im Freundeskreis, nicht in der Zukunft. Es ist sicherlich klar geworden, daß ich auch keines in einer Religion finde. Ich bin kein Atheist, sagen wir lieber ein Mensch zerrüttet durch das Mysterium des Lebens. Ich konnte diese Wirren bis jetzt ertragen, irgendwie mit ihnen in Frieden leben. Nun aber bin ich zerrüttet, durch die Fakten meines Daseins. Kein Friede mehr, weder in mir noch um mich herum. Es wird mir nichts mehr geboten, noch kann ich irgendetwas anbieten. Weder mir, noch denjenigen hinter mir, vor mir, neben mir.
Wohin mit den Worten der Medien? Ich lese sie regelmäßig und ohne Voreingenommenheit, doch ich kann sie nicht mehr deuten. Ich wäre denkbar für einen Wegweiser in dieser Finsternis. Ein Ideal, ein Ausweg. Der praktizierte Kommunismus hat mich vor der Möglichkeit bewahrt, in den Traum einer abstrakten Zukunft zu tauchen. Kroatien ist nicht mein Traum, traurigerweise meine Realität. Mir ist klar, daß sich über mich nicht nur der Wille oder Unwille, meines oder des 'anderen' Volkes, wie ein Unwetter ergießt. Es ergießt sich vielmehr das gesammte Dilemma dieser Welt, welche sogar ziemlich direkt auch in unseren 'kleinen' Konflikt involviert ist. Mir ist die Dimension, mit welcher die Welt an unserem Drame beteiligt ist, bewußt, denn das ist die Quelle meiner Resignation. Es mag kleingeistig erscheinen, doch ich habe alle Möglichkeiten geprüft meine Feigheit zu realisieren. Ich würde flüchten, wenn es einen Platz unter dieser Sonne geben würde, an dem ich mehr Mensch sein könnte. Nur wo ist dieser Ort? Meine Energien sind verbraucht, meine Pläne gescheitert, meine Hoffnungen verraten, meine noch so enthaltsamen Wünsche unerfüllbar. Ich gehöre zu der Armee von Menschen, welche den Ausgang in einem Raum ohne Türen suchen.
Ich vergelte dem 'Westen' nicht den Versuch unseren Hunger nach Hoffnung mit Teelöffeln von Optimismus zu stillen. Das alles sind edle Gesten, doch manche Leute werden trotzdem verhungern, denn Optimismus alleine reicht nicht, um satt zu werden. Wir sind zu müde, und ohne Kondition für ein weiteres Rennen. Ihr sitzt an der Quelle, oder wenigstens am sicheren Ufer, wir dagegen befinden uns mitten im reißenden Strom."

Dieser Beitrag zur Findung eines Menschen im Menschen in Südosteuropa ist kein Ausdruck der Polemik, noch ein Ruf oder Wunsch nach Rat, schon eher ein Spiegel der Zynik.
Der Zynismus resultiert aus dem Phlegmatismus derjenigen, welche sich am rettenden Ufer befinden, welche sobald ein Feindbild zu erspähen ist, sofort Stimmung machen, doch wenn der Feind schießt, aber nicht auszumachen ist, sich in Diskussionen à la Monty Phytons 'Life of Brian' verzetteln, anstatt den Opfern zur Hilfe zu eilen. Ein ewiges Behandeln, anstatt Handeln steht auf dem Plan. Die reale Politik, und wie sie in den Medien behandelt wird, ist sicherlich der ausschlaggebendste Faktor zur Erklärung solch enttäuschender Phänomene. Zwar ist durch das Bombardement an Informationen jeder in der Lage, sich zum faktischen Geschehen in Krisengebieten zu informieren, doch Hintergründe können nur durch die verschiedenen Facetten der Zeitungen erahnt werden. Im Vordergrund stehen also Facten und Financen, Menschlichkeit jedoch scheint verpönt, weil sie durch die Einmischung von Emotionen parteiisch und unglaubwürdig erscheint. Doch gerade Emotionen befreien den Menschen vom Phlegmatismus und Handlungsunfähigkeit.
Kriegstreiber und Vergewaltiger werden belohnt. Dürfen zusammen als gleichrangige Gesprächspartner mit Politikern und Staatsoberhäuptern über die Zukunft ihrer Opfer verhandeln und um Ländereien feilschen. Es wurden über den Willen der Bevölkerung, der Zivilisten, hinweg - wie immer - Bündnisse geschlossen und Verträge gebrochen. Doch die Menschen in jenen Ländern Ex-Jugoslawiens sind der uralten Fehden, nationalistischer Hegemonien und Kriege müde...

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