"Don't treat me like a girl, just because you are a boy" - Kim Gordon

Editorial

Ina: Ich glaube, es ist eine Zeit Dinge neu zu definieren... Claudia: Ich finde ja nicht, daß eine Zeitung da so ein grosses Wagnis ist, mit was kann man sich heute schon in die Nesseln setzten? Ich seh das jetzt auch bei unserem Heft nicht so unbedingt. - Was erwartest du von einem Magazin? Man kann doch nichts anderes machen, als Dinge anzureißen. Ina: Man sollte es anstreben, sonst nervts. Oder eben eigene Standpunkte auf Zeitphänomene anwenden.... Claudia: Das wird doch gemacht, das ist es ja, was mich so nervt, z.B. Madonna.- Alle kommen mit dem Scheiß, den sie gelesen haben an, um den dann auf Madonna zu beziehen. Ina: Aber das ist doch Madonnas Konzept, daß man alles auf sie beziehen kann. Claudia: Ich finde Madonna auch klasse, aber mittlerweile ist das ja voll peinlich, weil jeder das findet, aber aus ganz anderen Gründen. Ina: Aber das war doch schon immer so mit Stars, z.B. Marlene Dietrich, man muß offen für Interpretationen sein... Claudia: Marlene und Madonna sind nicht gleich. Madonna ist zwar ein Star, aber sie hat kein Geheimnis. Marlene Dietrich bietet selbst heute noch Stoff für ein 800 Seiten Buch, wo es nur über ihr Leben, ihre Wünsche, ihren Charakter geht. Madonna ist nur als Phänomen interessant, ein Popstar eben, der austauschbar ist und erst mit dem Zeitalter der Reproduktion ins Leben gerufen werden kann. Niemand interessiert sich für ihre wahren Gefühle oder so, sie hat zwar versucht eine Persönlichkeit zu sein und sich so verhalten wie ein Star vor dem Pop, aber dieser Versuch ging ziemlich in die Hose. (Ich denke dabei an die miesen Einnahmen durch In Bed With Madonna, wobei ich sagen muß, daß ich mir den Film mehrere Male angesehen habe). Ina: Und Ute Lemper? Heiko: Ich kann mir nicht vorstellen, daß es irgendjemanden gibt, der die gut findet. Das ist ne echte Hassfigur. Dany: Ich denke aber, daß solche Hassfiguren total wichtig sind. Daß man sowas auch liebt, was man hassen kann. Ich finde ja hysterische Frauen so toll. Claudia: Ich hasse das, es ist so typisch weiblich. Obwohl ich das ein interessantes Thema finde - also psychoanalytisch finde ich das interessant. Aber wenn ich das erlebe, hasse ich das. Ina: Das ist das einfachste, man braucht sich nur gehen zu lassen - ich zelebriere das manchmal! Gelächter Ina: Was hältst du von 'Mädchen', die sich ausziehen und ablichten lassen? Claudia: Generell finde ich das ziemlich blöde. Bei uns im Heft bzw. das Bild, was wir fürs Heft gemacht haben, ist gut, denn dabei geht es darum, das was als Wunsch oder Phantasie von Sexualität signifiziert wird, zu affirmieren und damit den Wind aus den Segeln zu nehmen. Es kann eine brauchbare Strategie sein, das zu sein, was erwartet wird und die Zuweisung sogar noch zu verstärken (übertreiben). So verstehe ich dieses Foto. Als durchgängige Strategie finde ich allerdings dieses Spiel der Affirmation oder Parodie nicht geeignet. Ich will in diesem Punkt auf Judith Butler verweisen, bei deren Gespräch es genau um dieses Problem geht. Dany: Ich spiele ja auch Rollen, aber ich weiß nicht, ob so eine Affirmation auf Dauer so der Weg ist. - Alle scheißen mich an, also mach ichs genauso. Da gibt es 150 Bücher drüber, die das legitimieren - wunderbar da mach ich mit!! Aber ich weiß auch keinen anderen Weg. Ina: Man kann sich damit vor Leuten schützen. Dany: Na ja, das ist aber auch Macht. Du hast diese Technik zu täuschen gut drauf, und du erlebst die Macht ja toll, das ist zu einfach. Ina: Wenn es anders funktionieren würde, hätte ich mir nicht so etwas Dummes ausgedacht. Wie sind denn die reizenden Damen aus dem Fernsehen? Die Art, wie sie die Stimme benutzten, was sie sagen - absurd! Claudia: Natürlich gibt es so Sachen... Heiko: Stimmt schon, die deutsche Synchronisation ist immer total perfektioniert - da sind die Stimmen fast durchdringender als die Bilder... Claudia: Es geht nicht nur um die Stimme, es geht um Verhaltensweisen von Frauen... Wäre ja schön, wenn es so simpel und hysterisch wäre. Ich finds im Grunde genommen cool, sich aus allem rauszuhalten, man ist ja nicht aktiv, weil man das Gegenteil wiederlich fände, ich finde die Leute im Grunde genommen prima, die sich aus allem heraushalten können. Dany: Flucht? Claudia: Nicht nur deswegen, aber manchmal denke ich, ach Gott, das was ich sagen will, das haben schon viele andere vor mir versucht, das ist aber gar nicht so, das wundert mich auch immer wieder. Dany: Es ist auch doof, sich so auf sone Kunstsache zu versteifen, weil es so ein toter Raum ist. Claudia: Ich wüßte gar nicht, was das sein sollte, so eine Kunstsache? Gibt es das überhaupt noch? Dany: Ich glaube schon. Heiko: Anders als als Wirtschaftszweig? Den gibt es natürlich mit kleinen Galerien als Geschäftsraume, wo nur eine Ware ausgetauscht wird, und Medien...aber ansonsten? Dany: Wieso, es gibt doch diese 150 Leute, die sich kennen, ihre Partys und Kneipen haben. Ina: Kneipen? - Welche denn? Dany: U.a. ja so Restaurants, halt Marienhof, Vienna, Rialto oder so. Ina: Na also, da kann man ja überhaupt nicht hingehen. Gelächter Claudia: Es gibt Leute, die können das. Ne Szene zu finden ist schwierig, mit der man was anfangen könnte, oder in der man etwas sein könmnte. Die Restaurantszene finde ich voll daneben, die sind mehr daran interessiert mit ihrem Galeristen zu reden als mit ihren Kollegen. Dany: Das interessiert mich schon, aber nur damit zu tun zu haben, finde ich auch ekelig. Ina: Ich fänds gut, wenn man als Künstler wieder n Austausch hätte und von dieser Position aus gesellschaftlich agieren könnte. Dany: Hefte bieten die Möglichkeit der Kommunikation, die es sonst in der Kunstszene nicht mehr gibt. Ina: Ich find 'Teamwork' klasse... Claudia: Ja, aber ich weiß gar nicht, ob ich noch mal so große Lust aufn zweites Heft hätte, ich würde eigentlich gerne immer wieder was neues daraus lernen. Vielleicht n Film machen oder so. Weils mir eigentlich doch um etwas anderes geht, als mich nur über Schrift, Bild und Text auszudrücken.Ich finde es eigentlich ne gute Form, Bilder zu Texten zu bringen, aber da bin ich nicht richtig zu gekommen - ich finde, die Bilder sind zu kurz gekommen. Dany: Deswegen fänd ich es vielleicht doch gut, ein zweites Heft zu machen, um diese Sache zu klären...

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